Die Belletristen

Erzählkunst in allen Formen und Farben

Rezension: Parapol 1 – Die Tränen der Madonna

Parapol1

Bevor ich mich dem aktuellsten Sprössling der Parapol-Reihe (hoerspielprojekt.de) widme, wage ich mich erst einmal an den Auftakt der Serie: Parapol: Die Tränen der Madonna.

Für alle Einsteiger: Parapol ist eine (fiktive) Behörde der europäischen Union zur Aufklärung paranormaler Ereignisse. Selbstverständlich agiert sie geheim. Es wäre andernfalls mit einem Shitstorm des Steuerzahler-Bundes zu rechnen. Doch bevor die italienische Abteilung auf paranormale Ereignisse treffen kann, trifft Ermittler Marco Mantini auf ein viel unnormaleres Ereignis: seinen neuen Kollegen Paolo Taglieri. Ein Neunmalklug mit wesentlich besseren Manieren als Marco Mantini, der aus grobem Holz geschnitzt wenig Lust verspürt, sich hier und da verbessern lassen zu müssen. Vor allem aber ahnt er bereits, dass Taglieri als Aufpasser fungieren soll. Schlechte Vorzeichen für eine gute Zusammenarbeit. Dennoch gehorcht er widerwillig dieser bitteren Medizin seiner Chefin Franzesca di Medico. Und schon geht es an den Fall und hier treffen Taglieri und Mantini auf eine offenbar augenblutende Madonnenstatue sowie einen urplötzlich wahnsinnigen, gewalttätigen Pater, der sogleich den mit Mantini befreundeten Kommissar Renzo aufspießt. Hier beginnt die eigentliche Untersuchung, in dessen Verlauf auch persönliche Zwiste ausgetragen werden.

Das Skript stammt aus der Feder Erik Albrodts und kann durchaus mit Spannung und inneren wie äußeren Konflikten punkten. Der Dreiecksstreit zwischen di Medico, Mantini und Taglieri ist wunderbar in die Geschichte eingeflochten, ohne aufgesetzt zu wirken. Allenfalls Anfang und Ende sind meiner Kritik würdig. So gerät der Prolog doch etwas klamaukig mit den mittlerweile überholten Bezügen zu Verona Potato und anderen drolligen Kommentaren, die nicht ganz die Grundstimmung des Hörspiels treffen und infolgedessen etwas fehl am Platze wirken. Weniger klamaukig verlief das Ende des Hörspiels: ohne die Auflösung vorweg zu nehmen, war mir diese etwas zu dick aufgetragen, insgesamt aber in Ordnung. Abgesehen davon folgt das Skript einem sauberen Plot, meistenteils authentischen Dialogen und logischen Charakterentwicklungen.

Als Sprecher ist besonders Felix Würgler hervorzuheben, der diese Folge nicht nur anteilsmäßig dominiert, sondern darüber hinaus auch schauspielerisch den Takt vorgibt. Er gibt den prinzipienfesten Haudrauf mit weichem Kern. David Riedel gibt als Paolo Taglieri den perfekten Kontrast zu seinem Partner. Diese Rolle füllt er mit viel Leben, sodass dessen Penibilität, Altklugheit, aber auch ernsthafte Loyalität zum Vorschein kommen. Das Duo Mantini-Taglieri funktioniert also einwandfrei in seiner Besetzung. Hin und wieder erhält Jennifer Tuttlies als Franzesca di Medico die Möglichkeit, Einfluss auf die Beiden auszuüben. Ihre besten Momente erreicht sie, wenn sie Mantini den Kopf wäscht oder anderweitig zur Disziplin mahnt. An manchen Stellen gerät ihr Auftritt noch etwas hölzern, sprich: weniger natürlich, aber das ist durchaus dem mittlerweile betagtem Hörspiel geschuldet. Zwei Nebenrollen seien noch erwähnt: Markus Raab als Kommissar Renzo ist eine echte Perle im Ensemble, ebenso wie Sascha Kiss, der einen besonders gelungen wahnsinnigen Pater Lusi gibt. Die anderen Nebenrollen sind allesamt sehr ordentlich besetzt.

Die Musik von Erik Albrodt blieb mir persönlich nicht besonders im Ohr hängen, spielte auch keine übergeordnete Rolle bzw. eine seltene Rolle. Sie störte aber auch nicht. Schön dramatisch und wunderbar anzuhören war schließlich der Choral der Finalszene. Eine gute Wahl. Dennoch hätte vor allem mit dem italienischen Hintergrund mehr Stimmung verbreitet werden können. Tadellos dagegen der Schnitt. Erik Albrodt hat einen Standard geschaffen, der zur Zeit des Releases sicherlich bahnbrechend war und sich auch heute nicht zu verstecken braucht. Hier wurde größtenteils gut und sicher mit Panning, Raumhall und Stimmverzerrern gearbeitet. Besonders angetan haben es mir die Szenen, die aus Sicht des Wahnsinnigen dargestellt wurden. Die dämonischen Stimmen treffen voll ins Schwarze! Auch für das Intro muss man Erik Albrodt loben. Das Cover wurde wie so oft von Wolfram Damerius gestaltet und gibt seither die Cover-Optik der Reihe wieder. Statt mit gezeichneten Darstellungen kommt Damerius mit einem Schwarz-Weiß-Foto um die Ecke. Sehr gelungen!

Trotz des höheren Alters weiß der erste Parapol-Fall zu überzeugen. Einem recht simplen Fall stehen gut skizzierte Charaktere und Konflikte sowie ein hochwertiges Ensemble gegenüber. Auch wenn die musikalische Gestaltung etwas häufiger und italienischer hätte ausfallen können, bleibt der gute Gesamteindruck bestehen.

4star

R. M. Beyer

Über Martin Beyer-Festerling

Dipl.-Berufspäd. Martin Beyer-Festerling hat Medizin- und Pflegepädagogik sowie Philosophie an der TU Dresden studiert. Er schreibt Kurzgeschichten, betätigt sich aber zudem als Sprecher und produziert hin und wieder Hörspiele.

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Information

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 18. Dezember 2012 von in Aktuelles, HÖRSPIEL_truhe und getaggt mit , , , .

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