Die Belletristen

Erzählkunst in allen Formen und Farben

Rezension: Im Dunkel der Zeit

Im Dunkel der Zeit von Sascha Kiss ist eigentlich mein Schlüsselhörspiel für Hoerspielprojekt.de, weil es das erste Hörspiel dieses Forums war, das mir sowohl inhaltlich als auch technisch so gut gefallen hat, dass es den Vergleich mit professionellen Produktionen nicht zu scheuen braucht.

Skript:

Philip Greis taucht – nach dem Tod seiner Frau – in einer Pension in der Eifel unter. Katie Sauer tut einige Monate später dasselbe, diesmal aber, weil sich ihr Freund von ihr getrennt hat. Beide erleben unabhängig voneinander ein physikalisches Phänomen: eine blaue Zeitblase weitet sich in der Pension aus und verschlingt die beiden Protagonisten. Auf diese Weise werden beide aus ihrer Zeit gerissen und treffen in der Blase aufeinander. Sobald sie die Blase verlassen, befinden sie sich wieder in ihrer jeweiligen Gegenwart. Das Problem: beide leiden durch die Zeitreise an einer Krankheit, die sie enorm schnell altern lässt. Hier eröffnet sich der Konflikt: gibt es einen Ausweg, eine Rettung für Philip und Katie?

Zeitreisegeschichten sind zumeist voller Paradoxien und Logiklücken. Auch hier lassen sich die typischen Paradoxien nicht umgehen, aber dennoch weist die Geschichte keine schlimmen Logiklücken auf. Ich habe mittlerweile festgestellt, dass die Geschichte eine Geschmacksfrage ist. Ich fand sie äußerst konsistent gedacht und konsequent erzählt, aber andere Gemüter tun sich schwer mit den Annahmen und dem Verlauf der Story. Die Charaktere sind glaubhaft und komplex dargestellt: ich habe gern und intensiv mit den Protagonisten mitgelitten. Vor allem eine besondere Stelle, die ich hier nicht verrate, hat mich sehr mitgenommen. Auch die Dialoge waren authentisch geschrieben. Hut ab, Sascha Kiss.

Sprecher:

Als Sprecher sind mir besonders Detlef Tams, Markus Haacke und die gute Marianne Häberli in großartiger Erinnerung geblieben. Letztere hat – für mich – hier ihre bisher beste Leistung abgeliefert. Eine sehr authentische und besorgte Mutter. Das Spiel von Sandra Sanchez war auch einer Hauptrolle würdig, auch wenn mir das Zickige am Anfang etwas übertrieben schien. Allerdings war das sicherlich im Dialogtext so angelegt, also kann man schwerlich die darauf folgende Umsetzung vorwerfen. Alle sonstigen Nebenrollen waren passend besetzt und überzeugten mich auf ganzer Linie.

Schnitt:

Auch hierfür zeigte sich Sascha Kiss verantwortlich, sodass man von einem Autoren-Hörspiel sprechen darf. Im Dunkel der Zeit ist sauber  und mit einer eigentümlichen, stimmungsvollen Atmosphäre geschnitten worden. Sowohl das Auftreten der Zeitblase als auch die Übergänge nach drinnen und draußen sind sehr beeindruckend vertont. Keine Schwachpunkte, die mir hier auffallen könnten.

Musik:

Die Musik stammt ausnahmslos von Künstler aus Jamendo.com und wurde organisch ins Hörspiel geschnitten. Selten tritt Musik auf, aber dort, wo sie zu hören ist, verbreitet sie die entsprechende Stimmung. Eine maßgeschneiderte Musik wäre hier und da vielleicht noch der Dramaturgie hilfreich gewesen, aber nichtsdestotrotz funktionieren die Lieder im Hörspiel und erfüllen ihren Zweck.

Cover:

Das Cover schafft es, sowohl die Stimmung als auch den Inhalt des Hörspiels einzufangen. Ein Lob an Chrisdesign.

Fazit:

Ein ungewöhnliches Hörspiel, das sicher nicht Jedermanns Sache ist, aber zumindest mir noch lange in Erinnerung bleibt.

R. M. Beyer

Über Martin Beyer-Festerling

Dipl.-Berufspäd. Martin Beyer-Festerling hat Medizin- und Pflegepädagogik sowie Philosophie an der TU Dresden studiert. Er schreibt Kurzgeschichten, betätigt sich aber zudem als Sprecher und produziert hin und wieder Hörspiele.

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Information

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 19. Januar 2012 von in Aktuelles, HÖRSPIEL_truhe und getaggt mit , , , .

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