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Barash-Tyr Chroniken 1: Dyrer (Rezension) – ein hörbares Fantasy-Epos

Meine Güte, wie lang ist Barash Tyr 1 schon auf dem freien Hörspielmarkt und erst jetzt schreibe ich eine Rezension darüber? Lieber spät als nie möchte ich dieses Versäumnis nachholen und meinen fachkundigen Senf zum ersten Teil der Barash-Tyr Chroniken hinzugeben. Und wem es wie mir geht und dieses Hörspiel noch nie oder vor langer Zeit hörte, sollte mal wieder einen Blick bzw. einen Lauscher riskieren.

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Der Prolog glänz mit dem stimmgewaltigen Markus Raab als Zwergenkönig Grimbur Eisenschlag. Er geht mit einer schlagkräftigen Truppe in ein ungewisses Schicksal, um die Krone des Großkönigs zurück zu erobern. Die eigentliche Geschichte beginnt aber, wie viele Fantasy-Geschichten beginnen: der Protagonist taucht irgendwo ohne Erinnerung auf und begibt sich auf die Suche nach seiner Identität. In diesem Fall handelt es sich um den Magier Alexander Dyrer (Thomas Kramer), der halbtot in der eisigen Einöde von der zwergischen Kriegerin Solveig (Jessica von Haeseler) gerettet wird. Sein toter Lehrmeister liegt ebenfalls dort, wenngleich Dyrer nicht weiß, woran dieser gestorben ist und was die beiden in den Norden katapultiert hat. Zunächst aber dreht sich der Plot um den verlassenen Zwergenthron und die Intrigenspiele des schleimigen Thronvertreters Dwirosch (Michael Gerdes). Dieser schafft es, dass sowohl Solveig als auch Dyrer dem verschollenen König Grimbur hinterhergeschickt werden. Im Grunde ein Selbstmordkommando, starben doch bisher alle, die nach der Krone des Großkönigs suchten, aber es kommt natürlich ein kleines bisschen anders…

Barash Tyr 1 enthält vieles, das ein gutes Fantasy-Epos braucht. Da wäre zum Beispiel die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Solveig und Dyrer. Oder der Kampf Solveigs um soziale Anerkennung, da ihr trotz zahlloser Schlachten ein Clan-Name verwehrt blieb. Dann wären noch Verstrickungen zu nennen, die weit über den Handlungsort hinausragen, etwa die Machenschaften des „Inneren Kreises“, stimmlich passend vertreten durch den wunderbaren Marc Schülert. Und natürlich die große Frage, wer Alexander Dyrer wirklich ist und wer ihn und seinen Lehrmeister ums Eck bringen wollte. Der Plot ist Gott sei Dank recht geradlinig, doch man merkt bereits: Es steckt mehr dahinter, als man zunächst vermutet.

Bei den Sprechern überzeugt mich vor allem der Erzähler Christoph Memmert, Jessica von Haeseler als Solveig (Traumbesetzung!), Markus Raab als Grimbur, Robert Frank als Kobold und natürlich Michael Gerdes als Dwirosch. Auch Thomas Kramer macht in der Hauptrolle des Magiers Dyrer seine Sache sehr gut, auch wenn ich bei seiner Interpretation eher an einen jungen, bartlosen Zauberlehrling wie Simon the Sorcerer oder Schmendrick aus dem letzten Einhorn denke. Dennoch: Sein Schauspiel passt. Lediglich mit dem Goblin Nabrag (Robert Barkowski) wurde ich nicht warm. Stimmlich wies wenig auf einen Goblin hin, sodass mein inneres Ohr immer wieder einen drahtigen Menschen zeichnen wollte. Vielleicht hätte man mehr in Richtung von Robert Franks Kobold-Darstellung arbeiten können. Außerdem intoniert Barkowski etwas zu offensichtlich „böse“, vermutlich um den Goblin stimmlich herauszuarbeiten. Ich denke, eine Stimmverfremdung hätte ihm die Sache erleichert. Gut, das läuft aber unter Erbsenzählerei, denn die Sprecherleistung ist insgesamt sehr gelungen!

Das Skript stammt vom Protagonisten Thomas Kramer und hat mir, bis auf eine seltsame Formulierung („Die Grenzen zwischen Realität und Wirklichkeit…“), sehr gefallen. Die Dialoge klingen natürlich, die Figuren sind gut herausgearbeitet, der Plot ist straff und spannend. Einige kleinere Schwächen finden sich im weiteren Verlauf der Story. Achtung: Spoiler-Alarm! So bleibt offen, was denn nun so gefährlich war, dass alle bisherigen Zwergentruppen in den Höhlen starben. Die Trolle und der Goblin sind auf jeden Fall nicht besonders beeindruckend. Für meine Begriffe gelingt es Solveig und Dyrer außerdem viel zu leicht, bis zu Nabrag vorzudringen. Auch fragt man sich: Weshalb lassen sich die Trolle von Nabrag beherrschen? Sicher, er ist ein geschickter Meuchelmörder, doch wirkliche Machtinstrumente hat er nicht bei der Hand. Ich will aber nicht ausschließen, dass diese offenen Fragen vielleicht in der Rückschau klar werden, wenn die nächsten Teile von Barash-Tyr herauskommen. Zukünftig würde ich vielleicht noch vorschlagen, etwas weniger oder kürzere Erzählparts zu schreiben. Sie bremsen manchmal die Handlung aus und sind nicht immer nötig. Doch wie gesagt: Erbsenzählerei, denn Thomas Kramer macht seine Sache als Autor hier wirklich gut.

Ebenso gut arbeitete Marc Schülert in der Tonproduktion und der Regie. Einwandfreie Klangkulissen, toller Dialogschnitt und stets passender Musikeinsatz. Wirklich lobenswert!

Jeder, der mit Fantasy etwas anfangen kann, sollte sich mal Barash Tyr zu Gemüte führen. Man sollte auch nicht vergessen: Barash-Tyr ist kostenlos und übertrifft viele kommerzielle Fantasy-Hörspiele. Ich jedenfalls freue mich auf weitere Teile, denn am Ende des ersten Kapitels – so viel sei verraten – hat sich eine Abenteurergruppe gebildet, der man sehr gerne folgen möchte!

RM Beyer

Über Martin Beyer-Festerling

Dipl.-Berufspäd. Martin Beyer-Festerling hat Medizin- und Pflegepädagogik sowie Philosophie an der TU Dresden studiert. Er schreibt Kurzgeschichten, betätigt sich aber zudem als Sprecher und produziert hin und wieder Hörspiele.

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Information

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 24. Januar 2016 von in Aktuelles, HÖRSPIEL_truhe und getaggt mit , , .

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